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So läuft die Altersfreigabe von Schweizer Kinofilmen ab

Wer bewertet eigentlich die Altersfreigabe von Schweizer Kinofilmen?

Altersbegrenzungen von Kinofilmen werden in der Schweiz kantonal geregelt. (Symbolbild)
© Keystone
Altersfreigaben in Schweizer Kinos gibt’s schon lange – was es bis anhin aber noch nicht gab, ist eine gesetzliche Grundlage dazu. Das wird sich bald ändern. Aber wer bewertet diese Altersfreigaben bis jetzt und wie?

König der Löwen, James Bond oder Titanic: Die Filme haben eigentlich nichts gemeinsam – ausser, dass sie alle über eine Altersfreigabe verfügen. Aber wer macht eigentlich diese Altersfreigaben und wie funktioniert das?

Kommission für Jugendschutz im Film

Die Altersfreigaben bei Kinofilmen sind eigentlich Sache der Kantone, nur haben die meisten keine gesetzliche Grundlage dazu. Seit 2013 kümmert sich daher die schweizerische Kommission Jugendschutz im Film (JIF) darum.

Sie gibt den Kantonen sowie der Branche Empfehlungen zum Zutrittsalter für Kinofilmvorführungen ab – für die ganze Schweiz mit Ausnahme vom Tessin, dort ist eine andere Organisation zuständig. Da Procinema – der Schweizer Verband für Kino und Filmverleih – Partner der Vereinbarung mit den Kantonen ist, sind die Kinos verpflichtet, die Empfehlungen der Kommission JIF zu übernehmen und an der Kasse durchzusetzen.

Verleiher gibt Alter an – Kommission prüft

Die Verleiher der Kinofilme geben ein Zutrittsalter an, dieses wird vor Kinoausstrahlung immer von der Kommission JIF überprüft. Nur wenn Kommissionsmitglieder Bedenken am angegebenen Alter haben, werden die Filme durch die Kommission visioniert.

Das Gremium besteht aus 60 Personen und ist zu je einem Drittel zusammengesetzt. 20 Vertreterinnen und Vertretern kommen aus der Branchenorganisation der Schweizer Filmbranche.

Das zweite Drittel besteht aus 20 von der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) gewählten Mitglieder aus Behörden, welche kantonale Aufgaben irgendeiner Art im Bereich Kinder- und Jugendschutz haben. Im letzten Drittel sind 20 unabhängige Vertreterinnen und Vertreter, welche filmaffin sind, beispielsweise engagierte Eltern.

So wird das Alter festgelegt

Wenn die Kommission ein vom Verleiher angegebenes Alter als zu niedrig oder auch als zu hoch ansieht, überprüft sie es und vergibt ein neues Zutrittsalter sowie ein empfohlenes Alter. Dafür wird der Film von drei Mitgliedern der Kommission erstvisioniert und anschliessend anhand eines vorliegenden Kriterienkataloges gemeinsam diskutiert.

Aber welche konkreten Bewertungskriterien gibt es? «Die häufigsten Kriterien, welche auch öffentlich immer wieder zu Diskussionen führen, sind Gewalt sowie Nacktheit und Sexualität – es sind aber nicht die einzigen», sagt Marc Flückiger, Präsident der Kommission Jugendschutz im Film.

Weitere Kriterien sind beispielsweise die Filmlänge, die Wortwahl sowie beispielsweise Themen wie Rassismus und Sexismus oder generell der Umgang mit Frauen. «Kriterium heisst eigentlich eine negative Vorbildfunktion. Also es ist beispielsweise unerwünscht, dass ein Zwölfjähriger einen Film schaut, wo die ganze Zeit geflucht und geraucht wird», so Flückiger. Im Zentrum der Erwägungen der Kommission stehe immer die Frage, ob ein Kind oder Jugendlicher in seiner Entwicklung und psychischen Gesundheit beeinträchtigt werden könnte.

Zutrittsalter vs. empfohlenes Alter

Die Kommission gibt jeweils zwei Alterskategorien an. Einerseits das Zutrittsalter und andererseits das empfohlene Alter. «Man könnte es auch so sagen: Das Zutrittsalter ist das gesetzliche Alter – also die Kinobetreiber sind verpflichtet, das Zutrittsalter einzuhalten, welches der Film bekommt», sagt Flückiger.

Das empfohlene Alter hingegen richtet sich primär an Eltern und soll ihnen eine Orientierung geben. Es ist entweder gleich wie das Zutrittsalter oder höher. Höher kann es sein, wenn ein Film zwar keine negative Vorbildfunktion beispielsweise in Form von Gewalt oder Nacktheit hat, aber thematisch komplex ist. Somit kann ein jüngeres Kind den Film zwar ohne negative Auswirkungen schauen, aber es wird die Handlung nicht nachvollziehen können.

«Verleiher haben immer die Möglichkeit, Einsprache gegen die Einstufung zu erheben», sagt Flückiger. Dies sei bei einem kleinen Anteil der Filme auch so. Die Kommission muss dann eine Zweitvisionierung durchführen. Dabei schaut ein zweites, grösseres Gremium bestehend aus fünf Personen den Film nochmals an und bewerten ihn neu: «Manchmal bleibt das Alter gleich und manchmal gehen sie auch runter – aber schlussendlich entscheidet die Kommission.»

Neues Gesetz auf Bundesebene

So wurden die Altersfreigaben für Kinofilme in der Schweiz bis anhin festgelegt – nun wird sich dies aber ändern: Im Herbst 2022 haben National- und Ständerat das Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele verabschiedet. Die Verordnung zum Gesetz befindet sich aktuell noch in der Vernehmlassung.

Nach Verabschiedung der Verordnung kann das Gesetz in Kraft treten, was frühestens am 1. Januar 2025 sein wird. Danach sind schweizweit alle Kinos, Detailhändler, Online-Versandhändler und Abrufdienste dazu verpflichtet, Alterskennzeichnungen zu machen sowie diese auch zu kontrollieren.

«Die Kommission Jugendschutz im Film wird es in der heutigen Form nicht mehr geben», sagt Flückiger. Die Altersfreigaben werden dann über eine Branchenorganisation festgelegt, welche sich zuerst noch bilden muss.

Aber was verändert sich genau? «Es gilt für die ganze Schweiz. Es gibt keine Ausnahmen mehr, und es wird überall ganz gleich sein mit der gleichen Grundlage, dem gleichen Gesetz und den gleichen Sanktionen.»

Ausserdem wird das Gesetz nicht nur für Film und Video gelten, sondern auch für Streaming-Dienste wie Netflix oder Disney. Auch für diese Abrufdienste wird eine Ausweispflicht bestehen.

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Linda Hans
veröffentlicht: 8. Juni 2024 09:37
aktualisiert: 8. Juni 2024 09:37
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