Kirche und Scheidung – das geht
«Früher war es ja wirklich so, dass man der Frau einen Scheidungsbrief in die Hände drücken konnte und sie war von der Gesellschaft geächtet und stand vor dem Nichts. Um dem vorzubeugen, könnte das Scheidungsverbot eingeführt worden sein», erklärt Küng. Heutzutage sei das natürlich anders. Auf die Frage, ob die Kirche heute nicht mehr grundsätzlich gegen die Scheidung sei, meint sie: «Die Kirche ist nicht grundsätzlich gegen die Sorgen und Nöte der Menschen – und wenn man merkt, dass da wirklich eine Not ist, kann man doch niemanden zwingen, in einer Ehe zu bleiben, in der man kaputt geht.» Zudem gebe es viele Angebote der beiden Landeskirchen, bei denen sich Paare in Beziehungsfragen wenden können. Beratungsstellen, bei denen ihnen, unabhängig von Religion oder sonstiger Ideologie, geholfen wird. Damit es eben gar nicht erst zur Scheidung kommt.
Das sieht auch der Paartherapeut Peter Haas aus St.Gallen so. Mit ihm reden wir über die Scheidung aus therapeutischer Sicht.
Herr Haas, wann ist eine Scheidung unabwendbar?In erster Linie wenn jeglicher Respekt verloren ging. Wenn nicht einmal das kleinste Lodern für die andere Person vorhanden ist. Also sprich, wenn die Liebe weg ist, hat es keinen Sinn. Man kann auch geschieden respektvoll miteinander umgehen. Gerade wenn man Eltern von gemeinsamen Kindern ist. Wird heutzutage oftmals zu früh geschieden?Auf jeden Fall. Weil man oftmals die eigenen Schwächen auf die andere Person projiziert und somit hundert Ehen haben kann, bis man merkt, dass man an sich selber arbeiten muss. Sich scheiden zu lassen, ist dann natürlich der bequeme Weg. Also sagen Sie, es gibt fast immer noch Hoffnung, wenn man sich nicht mehr versteht?Es gab schon erstaunliche Rückmeldungen, ja. Mit Übungen oder Bücher, die ich empfohlen habe und die Menschen geholfen haben, sich wieder zu finden. Aber natürlich gibt es auch den umgekehrten Weg. Wenn Leute zu mir kommen und es sieht auf den ersten Blick gar nicht dramatisch aus. Und erst wenn sie dann genau hinschauen, merken sie, dass sie gar nichts mehr füreinander übrig haben. Würden Sie den Leuten raten, vorsichtiger zu sein mit dem Heiraten?Ich glaube, dass wir in Beziehungen, verheiratet oder nicht, manchmal zu schnell oder dann auch zu langsam sein können. Wenn man heiratet, hat es halt einen relativ grossen Rattenschwanz, der mitkommt. Beispielsweise mit finanziellen Punkten, die reinspielen. Von dem her könnte man schon vorsichtiger sein. Aber wenn ich an mich denke, ich habe meine Frau nach drei Monaten geheiratet und jetzt sind wir dann 38 Jahre gemeinsam unterwegs. Also es kann auch schnell gehen und funktionieren. Welche Leute lassen sich denn am häufigsten scheiden?Das kann ich nicht so genau sagen, aber eine Tendenz lässt sich feststellen. Es sind vor allem Paare, die jung geheiratet haben. Oder dann das erste Kind kriegen.(Interview: Dario Cantieni)
Die ganze Sendung zum Thema Scheidungen gibt es hier: