«Sex vor der Ehe gab es schon immer»
Es ist die angeblich schönste Nebensache der Welt, und die Kirche verbietet sie trotzdem, zumindest, wenn man sich vorher nicht das Ja-Wort gegeben hat. Doch dem war nicht immer so. In der katholischen Kirche gehörte es früher dazu, Sex vor der Ehe zu haben.
Mittelalter: Sex vor der Ehe eine Pflicht
«Im Mittelalter gab es in Frankreich sogar folgende Regel: Wenn zwei heiraten wollten, mussten sie zuerst miteinander schlafen. Erst wenn die Frau schwanger war, durfte das Paar kirchlich heiraten», sagt Markus Arnold, Ethiker und ehemaliger Pfarreileiter. So war man sicher, dass beide fruchtbar sind und es bald Nachkommen gibt, was aus christlicher Sicht der Hauptgrund war oder ist, Sex zu haben.
Scheinheilige Normen aus Italien
Im 19. Jahrhundert kam die Wende. Plötzlich hiess es: Sex vor der Ehe ist eine Sünde. Grund dafür war der Vatikan, der Normen schuf. «Wenn in Italien eine Norm aufgestellt wird, dann muss die vor allem schön und knallig sein. Ob man sich daran hält, ist eine andere Frage», sagt Arnold. «Sex vor der Ehe gab es schon immer.»
Absolute Abstinenz
Im Zusammenhang mit Sex bzw. Beziehungen ist das Zölibat ein weiteres grosses Thema in der katholischen Kirche. Pfarrer entscheiden sich dabei für die Ehelosigkeit und dürfen keinen Sex haben. Markus Arnold hat es selber erlebt, er lebte vier Jahre lang in einem Kloster. Glücklich machte es ihn aber nicht. «Nicht die Tatsache, dass man die Sexualität nicht ausleben kann, störte mich. Ich habe einfach gemerkt, dass ich eine Familie will. Und das war der Grund, warum ich wieder ausgetreten bin.»
Mit emotionaler Nähe hat die katholische Kirche aber zum Glück kein Problem. Auch das Geschlecht spielt dabei keine Rolle. Papst Johannes Paul II soll fast 40 Jahre lang eine Brieffreundin gehabt haben.