ABU - mehr als Büne Hubers Protegé
2011, kaum einer kannte den Namen ABU, erschien das Album «Earn And Seed». Eine unaufdringliche Wucht, ein kaum wahrgenommener Schatz in der Schweizer Musiklandschaft. ABU spielte die Songs zwar am Gurtenfestival und in zahlreichen Clubs - doch er war nie der Typ, der viel Aufhebens um seine Person macht. Vielleicht war das der Grund, warum die breite Resonanz ausblieb.
Als 2015 der Zweitling «Reset» folgte, wunderte sich etwa der «Bund», was denn da falsch gelaufen sei, dass der Singer-Songwriter mit Freiburger Wurzeln noch immer nur den wenigsten ein Begriff sei. Alle, die tiefen, intensiven und aus der Masse heraus erkennbaren Indie-Rock mögen, dürften sich einig sein: An der Musik konnte es nicht liegen.
Bis heute ist die Frage, wer ABU ist und woher er seinerzeit so plötzlich auftauchte, nur ansatzweise geklärt. «Die Vorgeschichte ist auch relativ unspektakulär», sagt der Musiker, der seinen bürgerlichen Namen gerne für sich behält, im Gespräch mit Keystone-SDA. Er sei in einer «working class family» im Bernischen Neuenegg und später in Bösingen FR aufgewachsen. «Mir hat es an nichts gefehlt.» Bloss seinem sehnlichen Wunsch, Gitarre zu spielen, seien seine Eltern lange nicht nachgekommen. «Ich wurde ständig vertröstet - nächste Ostern, nächste Weihnachten», bis er dann endlich Unterricht nehmen durfte.
Seine ersten Songs hat ABU als Teenage-Punk geschrieben, seine grösste Inspiration: Nirvana. Er habe «immer Musik gemacht», so ABU. Aber nicht nur. Eine Zeit lang ging er neben den Bandproben drei bis vier Mal pro Woche ins Unihockey-Training. Später, als er die sportliche Laufbahn hinter sich gelassen hatte («ich konnte sie nicht mit meinem Lebensstil vereinbaren»), war er in unterschiedlichen Funktionen mit Bands wie Patent Ochsner und dem Freiburger Musiker Gustav unterwegs. Im Hintergrund.
ABU ist ein Gesprächspartner, von dem man sich ungern trennt. Ein Gefühlsmensch mit viel Humor, ein Tüftler, ein Perfektionist, ein Zweifler, eine Frohnatur, die sich verbal gut ausdrücken kann - und genau so klingen seine Songs. Nach viel Gehalt, viel Tiefgang, viel Abwechslung und sehr viel Feingefühl. «Meine Musik soll anstössig sein, herausfordernd, und sie soll mich an den Rand meiner Kräfte bringen.»
Nach der Veröffentlichung von «Reset», rund 60 Konzerten innerhalb eines Jahres und einem parallel laufenden 80-Prozent-Arbeitspensum, hat der heute 38-Jährige für eine Weile das Weite gesucht. Er war erschöpft, wollte weniger Konzerte spielen, verlegte seinen Wohnsitz vorübergehend nach Berlin und machte dort erst einmal gar nichts.
Sein Song «Beautiful Waste» konnte zu diesem Zeitpunkt als sein bisher grösster Erfolg verbucht werden. In Deutschland stieg die von Dissonanzen durchzogene Nummer auf Platz 8 der Indie Charts, auf Youtube wurde sie nahezu eine halbe Million Mal angeklickt, auf Spotify gar mehr als vier Millionen Mal. Die Kritiker lobten den hohen Grad an Musikalität des Berners und sein feines Gespür für unkonventionelle Pop-Songs.
«Ich hätte mich bloss selber kopieren und Erwartungen gerecht werden müssen», sagt ABU beim Treffen in der Berner Brasserie Lorraine. Doch das wollte er auf keinen Fall. Die aktuelle Single «One Day», die vor wenigen Wochen erschienen ist, klinge denn auch nur vordergründig nach ABU. «Ich empfinde den Song als radikaler und stringenter als alles davor - das war zugänglicher.»
ABU liebt die Musik - und er leidet darunter. Vor Konzerten «sterbe ich jeweils fast.» Kaum stehe er auf der Bühne, fühle es sich jedoch genau richtig an. «Ich kann nicht mit und nicht ohne Musik», sagt er, der sich darin wohl und verstanden fühlt und sein Talent gleichzeitig als «pain in the ass» empfindet, das ihm schlaflose Nächte bereitet.
«One Day» kann demnach als eine Art Querschnitt seines bisherigen Schaffens gesehen werden. Mit Ausnahme eines doppelten Pianos und zwei, drei Bässen spielte er alle Instrumente selber ein, wie er erzählte. Der Song klingt kraftvoll, steckt voller Zuversicht und musikalischer Finessen. Und trotzdem: Bis ABU die finale Version loslassen konnte, feilte er endlos, zweifelte, verzweifelte fast. Veröffentlichen könne er die Musik erst, wenn sie «an einem Punkt ist, an dem man sie nur noch spürt und nicht mehr erklären kann».
Schliesslich war Büne Huber - «er hat mein Gebastel mitbekommen» - das Zünglein an der Waage. «Ich hatte lange nicht den Mut, meinen neuen Song zu veröffentlichen» so Abu. Bis Huber meinte: «Mach einfach.»