Paléo Festival oder die Leichtigkeit des Seins
Palmen und Liegestühle schmückten die Grande Scène am Paléo. Die Bühnengestaltung sagt viel über die Vorlieben von Lana del Rey aus: die 34-jährige US-Amerikanerin liebt Küstenstädte. Nach Auftritten an Festivals in Spanien, Portugal und England - allesamt am Meer gelegen - kam die Pop-Diva für ein einziges Konzert in die Schweiz. Den Genfersee hatte sie vor drei Jahren bei ihrem Auftritt in Montreux lieben gelernt.
Lana del Rey, mit bürgerlichem Namen Elizabeth Grant, inszenierte sich auch am Paléo als Kunstfigur: nach einer viertelstündigen Verspätung erschien sie im «Scarlett O‹Hara Look» mit Rüschenkleid und braver Frisur. Die musikalische Süsse ihrer Balladen trifft immer wieder auf verwirrend abgründige Texte.
Die Fans warten schon ungeduldig auf den Nachfolger von «Lust For Life» (2017). Im August erscheine ihr sechstes Album, gab Del Rey während des Konzerts bekannt. Einen Vorgeschmack gab es mit den Singleauskopplungen «Mariners Apartment Complex» und «Venice Bitch».
Der Megastar liebt das Bad in der Menge. Statt Songs gab es immer wieder Selfie-Sessions mit den Fans. Das Konzert nahm erst im zweiten Teil richtig Fahrt auf. Beim Cover des Sublime-Songs «Doin› Time» ging nochmals die Sonne auf und der moderne Retro-Sound verbreitete die Leichtigkeit des Seins. Nach knapp einer Stunde war dann schon Schluss. Sie hänge wohl noch ein paar Tage Ferien am Genfersee an, erklärte die Sängerin.
Hoffnung und Freiheit waren viel gebrauchte Schlagwörter am diesjährigen Paléo. «Auf der Bühne ist alles möglich», rief Héloïse Letissier von Christine and the Queens am Dienstagabend in die Menge. «I am a man now», sang die Französin. Chris sei die mutigere Version von Christine. Für vier Minuten schlüpfte die androgyne Sängerin in Machoposen: selbstbewusst, draufgängerisch und gerne provokant und vor allem energiegeladen, wie die schweisstreibenden Tanzeinlagen zeigten. Unschwer zu erkennen war, dass ihr Tanzstil von Michael Jackson und Pina Bausch inspiriert ist. Auch bei Christine and the Queens' «Freak-Pop» war viel Retro-Sound von David Bowie bis Grace Jones herauszuhören.
Nach vorne gewandt ist der Sound von Gaye Su Akyol. Die Türkin ist eine Ikone der alternativen Istanbuler Musikszene und macht jedes ihrer Alben zu einem Manifest für die Freiheit. Traditionelle türkische Folklore-Hymnen werden verzerrt und mit viel treibender Gitarrenmusik unterlegt.
Wie ein glitzernder Schmetterling schwebte die Sängerin über die Bühne. Ihr zur Seite standen vier rockende Musiker in schwarzen Kutten und Augenbinden. Ein wildes Durcheinander, dass die Zuhörer etwas ratlos zurückliess, vor allem, weil die türkischen Texte nur von wenigen verstanden wurden.
Tyler Joseph und Josh Dun haben sich schon vor Jahren von ihrem konservativen Umfeld im Mittleren Westen emanzipiert. Während ihres Auftritts am Paléo lüftete das Erfolgsduo Twenty Øne Piløts zwar keine Geheimnisse, musikalisch waren die beiden US-Boys aber unbestritten eine Wucht und die Fans trugen sie buchstäblich auf Händen; die Show: ein Spektakel aus Licht, Ton und Videoeinspielungen.
In seinen Songs verarbeitete Tyler Joseph, Mastermind der Band, seine Ängste, auf der Bühne erweckte er seine inneren Dämonen zum Leben. Ein Auto ging in Flammen auf, Drummer Josh Dun lieferte seinem zweiten Ich auf der Leinwand einen Schlagzeug-Fight und der Sänger selbst kletterte auf wackligen Stufen in den Nachthimmel. Mit ihrem Mix aus Electro-Pop, Rock und Hip-Hop gaben Twenty Øne Piløts dem Festival am Eröffnungsabend gehörig Schub.
2019 dürfte auch ein Jahr für The Cure-Fans werden. Robert Smith und Band feiern den 40. Geburtstag ihrer Karriere mit rund 20 Festival-Shows, und im Herbst erscheint ein neues Album. Für das Aufwärmprogramm sorgten am frühen Abend die australische Band Rolling Blackout Coastal Fever mit hypnotischem Gitarrensound und The Twilight Sad. Die Schotten waren mit 2016 mit The Cure auf Welttournee und Sänger James Graham machte nach jedem Song Werbung für den Auftritt seiner Helden.
Wer ein Cure-Konzert besucht, sollte aber definitiv keinen Liebeskummer haben. Während des ganzen Auftritts der gutgelaunten Engländer schluchzte eine junge Frau und musste von ihren Freundinnen getröstet werden. Robert Smith zeigte zwei Stunden lang, dass er nicht nur ein begnadeter Songschreiber ist, sondern auch ein grandioser Gitarrist.
Die Gothic-Band reihte einen «Lovesong» an den anderen und gab als Zugaben auch Hitparaden-Songs wie «Lullaby», «Friday I'm in Love» oder «Boys Don't Cry» zum Besten. Für die Kritik musste ein Experte herhalten. Der Ostschweizer besuchte am Donnerstag sein 40. Cure-Konzert. Die Setlist war vorhersehbar, die Band in guter Form und das Publikum überraschend zurückhaltend, so sein Urteil. Auch Petrus muss ein Cure-Fan sein: Pünktlich zum Konzertbeginn legte er eine Regenpause ein.