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«Zürcher Manifest» von 1968 wird museumsreif

«Zürcher Manifest» von 1968 wird museumsreif

Die beiden Kuratoren Stefan Zweifel, links, und Juri Steiner, rechts, kreieren die Ausstellung zum Unruhejahr 1968 im Zürcher Landesmuseum. Die Besucher sollen sich «naiv hinein leben» können in die damalige Zeit.
© KEYSTONE/ENNIO LEANZA
Die Revolte 1968 hat auch die Schweiz erfasst. Das Zürcher Landesmuseum plant eine Ausstellung, welche die Geschehnisse weltweit mit denen in der Schweiz in Verbindung setzt. Kernstück der Schau bildet das «Zürcher Manifest», das im Sommer 1968 verfasst wurde.

Das Landesmuseum wird bislang noch nicht gezeigtes Material aus dem Sozialarchiv ausstellen: Hand- und Wandzettel, welche die Utopien und rebellischen Parolen der Zürcher 68er-Bewegung ausdrücken. Die Ausstellung öffnet erst im Herbst 2018 - der Nachrichtenagentur sda liegt eine vorläufige Übersicht über den Inhalt der Schau vor, die ein Besuchermagnet werden dürfte.

Die Leitung liegt in der Hand der Gastkuratoren Juri Steiner und Stefan Zweifel. Das Duo zeichnete bereits für die Ausstellungen «1900-1914. Expedition ins Glück» von 2014 sowie «Dada Universal» von 2016 verantwortlich.

Ihre nächste Jubiläumsausstellung soll «die spontane Lust am Vertiefen einzelner Momente» fördern, wie es im frühen Beschrieb heisst. Ein «politisches Schaugericht» oder eine «enzyklopädische Auslegeordnung damaliger Figuren oder Positionen» sei nicht beabsichtigt.

Ziel ist laut Konzept, dass sich die Besucherinnen und Besucher in die Atmosphäre der 68er-Kultur «naiv hineinleben» können - das ist ein möglicher Zugang, eine politische und gesellschaftliche Umbruchzeit zu vermitteln. Doch wie viel Naivität darf es sein?

Um der Ausstellung einen theoretischen Rahmen zu verleihen, ziehen die Macher Guy Debords Werk «Die Gesellschaft des Spektakels» von 1967 bei. Er war Mitbegründer der «Situationistischen Internationale», welche 1968 die Besetzung der Pariser «Sorbonne» organisierte. Sein Werk kritisierte den Kapitalismus und den Konsumismus, der falsche Bedürfnisse schaffe und pochte stets auf die Rolle der Kunst in der Revolution.

Die Jugendunruhen stehen am Ende der Nachkriegszeit. Was danach kam, war eine Gesellschaft, die sich öffnete und neue Lebensstile zuliess. Um diese Veränderung zu illustrieren sollen in der Ausstellung verschiedene Bereiche aufeinander treffen.

Neue Mode gegenüber Biederkeit, Tinguely trifft Barbapapa, Rolling-Stones-Figürchen vis-à-vis Warhols grossem Mao-Portrait sowie Ereignisse jener Jahre, die gegenübergestellt werden: Der Summer of Love von 1967, der Pariser Mai, der Vietnamkrieg oder die Globus-Krawalle in Zürich.

Das Panorama von kulturhistorischen Objekten, Kunstwerken und politischen Manifesten soll eine dichte Atmosphäre bilden und die bewegte Zeit vor 50 Jahren nach-erlebbar machen.

Am 29. Juni 1968 fand der «Globus-Krawall» statt. Jugendliche Demonstranten forderten die Einrichtung eines Jugendtreffs im Globus-Provisorium an der Bahnhofbrücke. Die Demonstration verlief gewalttätig und war der Auftakt für die Schweizer 68er-Bewegung.

Im Nachgang des Krawalls wurde das «Zürcher Manifest» veröffentlicht, als «Aufruf zur Besinnung». 21 Personen hatten das Manifest unterzeichnet: Professoren, Politiker, Journalisten, Künstler. Darin wurde festgehalten, dass die Krawalle eine «Folge unzulänglicher Gesellschaftsstrukturen» seien. Die Ursache der Krise sei «die Unbeweglichkeit unserer Institutionen».

Die Unterzeichnenden forderten, dass ein zentral gelegenes, autonomes Diskussionsforum für jung und alt bereitgestellt wird. Die Studenten, die an der Demonstration teilgenommen hatten, sollten ohne Sanktionen davonkommen.

Das Demonstrationsrecht müsse wiederhergestellt und eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe eingesetzt werden, welche die tieferen Ursachen des Konflikts erforschen und praktische Vorschläge machen solle.

veröffentlicht: 30. Dezember 2017 09:00
aktualisiert: 30. Dezember 2017 09:23