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Mobbing & Blossstellung: Jugendliche auf «Gossip-Girl St.Gallen»

Mobbing & Blossstellung: Jugendliche auf «Gossip-Girl St.Gallen»

Quelle: TVO

Mobbing gibt es nicht nur auf der Strasse, sondern wird auch im Internet oftmals anonym betrieben. Eine neue TikTok-Gruppe mit dem Namen «Gossip-Girl St.Gallen» stellt Menschen bloss. Deshalb steigt auch die Aufklärung in den Schulen, denn für Opfer kann es böse enden.

«Schon komisch, wenn die 15-jährige A. aus St.Gallen immer wieder mit anderen 18-Jährigen knutscht.» So ähnliche Gerüchte werden auf einem TikTok-Kanal aus St.Gallen anonym verbreiten, peinliche Situationen von Teenagern werden öffentlich geteilt.

«Von diesem Kanal habe ich heute das erste Mal gehört. Doch die Gefahren schätze ich als sehr hoch ein. Gerade in dem jungen Alter, ist den Jugendlichen gar nicht bewusst, was sie damit auslösen. Es braucht in meinen Augen mehr Aufmerksamkeit von den Eltern», sagt der 19-jährige Leonardo Cerpelloni aus St.Gallen.

Denn Blossstellung und Mobbing im Internet beschäftigt in der Gesellschaft schon länger. Gerade bei den Jugendlichen ist die Plattform TikTok im Alltag stark präsent. Eine neue Gruppe «Gossip-Girl St.Gallen» sorgt für Aufsehen, denn da werden persönliche Informationen von Dritten veröffentlicht. Zwar sind keine vollständigen Namen ersichtlich, doch nur schon der Vorname und Ort können rasch zur Rufschädigung führen.

Eine Umfrage in der Stadt St.Gallen zeigt, dass TikTok Nutzerinnen und Nutzer davon ausgehen, dass solche Blossstellungen oftmals gemacht werden, um in der Gesellschaft dazuzugehören. «Es gibt Dinge, die gehören nicht ins Internet. Doch der ganze Wahn lässt auch den Druck steigen. Man vergleicht sich mit anderen oder gibt Informationen raus, nur um dazuzugehören», sagt die 19-jährige Vanessa Van Son aus St.Gallen.

Ob auf den Strassen, in den Schulen oder auch im Internet – Mobbing zu betreiben, sei heute immer noch stark präsent. Hier berät die Kriseninterventionsgruppe Kanton St.Gallen die Schulen. So sagt Csaba Kiss, Leiter der Kriseninterventionsgruppe: «Wir stellen eine Zunahme fest. Denn Mobbing ist für uns eine Form von Gewalt. Und diese ist bei uns präsenter als je zuvor.»

«Solche Posts auf TikTok können schwerwiegende Folgen haben»

Kiss macht sich selbst ein Bild von «Gossip-Girl St.Gallen» und stellt fest, es sei schwierig eine saubere Grenze zu ziehen, was man als Mobbing definiert: «Denn Mobbing ist ein Muster, dass sich häufig wiederholt und gegen Einzelpersonen richtet. Deshalb muss man hier jeden einzelnen Fall genau anschauen, ob es sich wirklich um Mobbing oder Blossstellung handelt.»

Doch es spielt keine Rolle, wie man es definiert. Solche Posts auf TikTok können Konsequenzen mit sich bringen: «Die meisten Menschen reagieren nicht positiv auf solche Erfahrungen, gerade wenn sie sich betroffen fühlen. Die einen werden depressiv, aggressiv, ziehen sich zurück oder werden sogar suizidal», sagt Kiss weiter. Oder es gebe auch die Betroffenen, die sich dagegen wehren. Reaktionsmuster, die ernst zu nehmen seien.

Die Jungend braucht Vorbilder und Sensibilisierung

«Mobbing findet heute so statt, wie es auch früher stattgefunden hat. Nur die Methoden und Möglichkeiten sind heute anders als vor 20 Jahren. Wir leben in einer Gesellschaft, die deutlich schneller unterwegs ist, gerade mit Social Media, was es früher nicht gab», sagt Kiss. Es ist also nicht nur schneller, sondern auch grossflächiger geworden. Der Mensch in der Anonymität traut sich mehr und deshalb wird es auch des Öfteren ausgereizt.

«Die Kinder und Jugendlichen experimentieren und probieren sich aus und das ist ein Teil ihrer natürlichen Entwicklung», Kiss sagt weiter, dass es deshalb bei den Erwachsenen liegt, sich als Vorbilder zu zeigen: «Denn wir in der Gesellschaft müssen zeigen, was ok ist und was eben nicht sein sollte.»

Es braucht also mehr Sensibilisierung und das nicht nur bei den Jugendlichen, sagt Kiss: «Ich bin davon überzeugt, dass unsere Gesellschaft sich mit dem Thema auseinandersetzen muss. Es braucht Unterstützung von der Schule, von den Eltern, aber auch teilweise bei der Polizei, gerade dann, wenn es strafrechtlich relevant wird.»

«Persönlichkeitsverletzung im Internet ist strafbar»

Die Polizei ist bereits aktiv an Schulen präsent und klärt auf. Denn eine wachsende Cyberkriminalität ist auch bei der Kantonspolizei St.Gallen ein Dorn im Auge. Laut Mediensprecher Florian Schneider ist auch das Internet kein rechtsfreier Raum.

«Dennoch kommt es zu Äusserungen, die grenzwertig sind. Die möglicherweise eine Persönlichkeitsverletzung darstellen oder sogar die Intimsphäre angreifen. Es ist egal, ob man eine Person auf der Strasse oder im Internet beleidigt, beides ist strafbar.» Oftmals werden Personen anonym beleidigt, doch auch da geht die Polizei rechtlich vor.

«Bei einer Anzeige ermitteln wir»

Klar ist, auf «Gossip-Girl St.Gallen» werden teilweise nicht nur Initialen, sondern Namen und Ortsangaben preisgegeben. Solche Beiträge können verletzten und auch rufschädigend für die Betroffenen sein: «Es gibt auch auf Social Media eine Schwelle, da geht es irgendwann in ein Delikt rüber. Das ist ganz klar da, wo eine Identifizierung möglich ist und da werden wir bei einer Anzeige auch vorgehen», sagt Schneider.

Internetkriminalität wächst weiter

Die Cyberkriminalität ist in den letzten vier Jahren um 80 Prozent gestiegen. Rufschädigungen sind zwar laut Statistik nur ein kleiner Bruchteil, doch die ständige Nutzung von Social Media zeigt, dass es in diesem Bereich immer mehr Aufklärung geben wird: «Ich kann mir gut vorstellen, dass wir mit einer zunehmenden Sensibilisierung in diesem Thema in Zukunft auch vielmehr mit solchen Delikten im Onlinebereich rechnen werden», sagt Schneider.

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veröffentlicht: 5. September 2024 19:05
aktualisiert: 6. September 2024 08:22
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