Ostschweiz
St. Gallen

Pro City St.Gallen: Deshalb ist Einkaufstourismus problematisch

Pro-City-Präsident Ralph Bleuer: «Es ist eine Gewissensfrage»

Seit Montag sind die Grenzen für die Einkaufstouristen wieder offen. Wieso der Shopping-Trip ins Ausland jedoch problematisch ist, erklärt Ralph Bleuer, Präsident Pro City St.Gallen.

Ralph Bleuer, die Grenzen sind offen, die ersten Einkaufstouristen sind bereits wieder in den grossen Shoppingcentern in Deutschland und Österreich.

Ralph Bleuer: Das war zu befürchten. Und leider auch zu erwarten. Wie halt bereits vor der Grenzschliessung viele Leute regelmässig ins Ausland einkaufen gegangen sind.

Wie schadet denn der Einkaufstourismus der lokalen Wirtschaft?

Grundsätzlich schadet der Einkaufstourismus der ganzen Schweiz. Unser Land ist so klein, man ist von überall her schnell über der Grenze. Vielen Leute ist schlicht nicht bewusst, wie unglaublich schädlich das für die Wirtschaft ist. Ich bin mir sicher, dass es mittelfristig allen schadet. Aber mittlerweile ist es leider ein bisschen salonfähig geworden. Es hat sich etabliert.

Ralph Bleuer ist Präsident von Pro City St.Gallen und Geschäftsführer von Markwalder.

© Michel Canonica/St.Galler Tagblatt/Archiv

Aber wo genau trifft es die Schweiz?

Es geht um Geld, um sehr viel Geld. Ein grosser Betrag des ganzen Umsatzes geht der Schweiz verloren. Die Leute, die im Ausland einkaufen, fehlen der Schweizer Wirtschaft, jenen Geschäften, die auch Steuern zahlen und Arbeitsplätze schaffen. Wenn wir hören, dass den Geschäften in Österreich und Deutschland wegen der Grenzschliessungen 50 bis 60 Prozent des Umsatzes fehlte, sieht man die Dimension.

Konkrete Zahlen haben Sie aber nicht.

Es werden unterschiedliche Zahlen genannt. Ganz konkret kann ich es nicht sagen. Aber es sind sicher etliche Milliarden, die über die Grenze gehen.

Nur kann sich nicht jeder die Preise in der Schweiz leisten. Dann ist es doch logisch, dass man dort einkauft, wo es ein bisschen günstiger ist.

Es ist mir klar, dass es auch in der Schweiz Leute gibt, die sehr wenig Geld haben. Dort würde ich sogar noch ein Auge zudrücken, obwohl ich überzeugt bin, dass man auch in der Schweiz sehr günstig einkaufen kann. In den letzten Jahren sind einige grössere Anbieter in die Schweiz gekommen, die das Preisniveau massiv gedrückt haben. Ich rede aber nicht über diese Leute. Was ich von anderen Menschen höre, ist zum Teil erschreckend.

Zum Beispiel?

Zum Beispiel solche, die über die Grenze shoppen gehen, in ihrem eigenen Job aber absolut von den Kunden aus der Schweiz abhängig sind. Da sage ich immer: Wenn eure Kunden das auch so machen würden, hättet ihr auch bald keinen Job mehr. Das ist vielen Menschen einfach nicht bewusst. Im Endeffekt ist es eine Gewissensfrage.

Im Ausland gibt es aber auch eine andere Auswahl.

Das mag punktuell stimmen. Wie es auch in der Schweiz Produkte gibt, die es im Ausland nicht gibt. In meinen Augen ist das eine Ausrede. Wir haben hier eine riesige Produktevielfalt.

Wie wichtig ist denn beim Einkauf das Lokale?

In der Lockdown-Phase hatte ausser den Lebensmittelgeschäften alles acht Wochen geschlossen. In dieser Zeit waren die Leute plötzlich froh, dass wir hier Geschäfte haben, die die Grundversorgung aufrecht erhalten konnten. Ich finde es fragwürdig, wenn man diesen gleich wieder den Rücken kehrt, sobald mal wieder ins Ausland fahren kann. Klar: Es ist nicht verboten. Aber unsere Geschäfte haben sehr gelitten. Sie jetzt noch weiter zu schwächen, ist nicht gerade klug.

Die Geschäfte in der Schweiz hatten wegen der geschlossenen Grenzen aber auch die Chance, sich zu präsentieren. Wurde diese Chance verpasst?

Alle haben sich gefreut, als sie wieder öffnen konnten. Die meisten haben sich wohl auch gesagt: Jetzt müssen wir uns besonders Mühe geben, dass wir den Leuten einen Top-Service, gute Beratung und faire Preise bieten. Da gehe ich davon aus, dass diese Chance genutzt worden ist. Gerade in der ganzen Corona-Zeit hat man immer wieder den Solidaritätsgedanken bemüht. Jetzt zeigt sich bei der Unterstützung der lokalen Geschäfte, die besonders gelitten hatten, ob das nur leere Worte waren.

veröffentlicht: 15. Juni 2020 15:29
aktualisiert: 6. April 2022 16:11
studio@radiofm1.ch