Der Rebell unter den Gitarrenbauern
Das Atelier des gebürtigen Toggenburgers Claudio Pagelli befindet sich gut versteckt in der Churer Altstadt. Auf den ersten Blick scheint es sich nicht gross von den Werkstätten anderer Handwerker zu unterscheiden: Unmengen an Holz, welches dem grossen Raum seinen harzigen Duft verleiht, Werkzeuge hängen an den Wänden und liegen auf den Werkbänken. Auch Claudio Pagelli selbst scheint auf den ersten Blick ein gewöhnlicher Handwerker zu sein: Er trägt eine einfache schwarze Schürze, an welcher er seine durch die Arbeit angerauten Hände abwischt, nachdem er ein Stück Holz lackiert hat. Um den Hals trägt er aber eine Kette aus lauter kleinen Totenköpfen. Doch das ist nicht das einzige, was darauf hinweist, dass bei Claudio Pagelli alles ein bisschen anders ist.
Vom Caumasee inspiriert
«Seit ich acht Jahre alt war, wollte ich Gitarre spielen. Mit zwölf habe ich mir meine erste eigene Gitarre gebaut. Es hat zwar überhaupt nicht geklappt, aber das waren meine Anfänge als Gitarrenbauer», sagt Claudio Pagelli, bei dem sich seither einiges getan hat. Seine Instrumente gleichen heute mehr Kunstwerken als einfachen Musikerzeugern. In Sachen Form und Farbe sind sie alle etwas anders, etwas spezieller. Als Beispiel dafür dient das Modell «Caumasee», welches im Hinterzimmer des Ateliers hängt. «Ich habe eine ganze Serie an Gitarren mit der Graubünden-Thematik gemacht. In diesem Modell wollte ich die Farbe des Caumasees aufgreifen.» Und tatsächlich schimmert die Gitarre in einem Blauton, welcher an den Flimser Bergsee erinnert.
Neukunde Depeche Mode
Diese speziellen Modelle sind es, die Claudio Pagelli mittlerweile internationalen Ruhm verschafft haben. Seine Gitarren werden unter anderem an Ausstellungen in den USA oder China als Kunstobjekte gezeigt. Aber auch die Grossen der Musikindustrie greifen in die Saiten von Pagellis Kreationen. Dazu zählt seit letztem Jahr auch der Gitarrist der britischen Synthie-Pop-Urgesteine Depeche Mode. «Die Band war für ein Konzert in der Schweiz und ich hatte gerade eine Gitarre, die ihm meiner Meinung nach passte. Wir haben uns getroffen und er hat die Gitarre auch gleich genommen.» Bei dem kommenden Auftritt der Band am OpenAir St.Gallen wird die Pagelli-Gitarre aber nicht zu hören sein: «Martin Gore will seine Gitarren zuerst im Studio testen. Dazu hatte er mit unserer noch keine Zeit.»
«Reich wirst du damit nicht»
Ursprünglich war die Gitarre von Martin Gore, welche den klingenden Namen Gringobeat trägt, für jemand ganz anderen vorgesehen: «Eigentlich habe ich die Gitarre für mich selbst gebaut und sie ist wirklich der Oberhammer. Von dem her hat es mich extrem gereut, diese wegzugeben. Allerdings weiss ich, dass sie bei Martin Gore in guten Händen ist.» Seine persönliche Traum-Gitarre hat sich Claudio Pagelli bis jetzt noch nicht gebaut. «Diese würde ich wahrscheinlich gar nicht vermögen», sagt er lachend. Die speziellen Exemplare können nämlich bis zu 35'000 Franken kosten. «Reich wirst du damit aber nicht.» Das liegt einerseits daran, dass die Materialien, welche Pagelli verwendet, teuer sind und andererseits daran, dass er für ein einziges Modell bis zu 250 Arbeitsstunden benötigt.
«Jede Gitarre ist eine neue Herausforderung»
Ebenso in den Arbeitsprozess miteinbezogen und massgeblich am Erfolg der Gitarren beteiligt ist Claudio Pagellis Ehefrau Claudia: «Meine Frau macht seit gut 25 Jahren die Designs. Ich bin eigentlich der, der im Dreck hockt, schleift und macht. Sie zeichnet, und ich halte sie bewusst aus meinem Prozess heraus, damit sie keine Ahnung vom Bau hat. Dadurch zeichnet sie Dinge, die ich in meinem Korsett als Bauer nie machen würde. So sind wir schon auf Dinge gekommen, die es noch nie gegeben hat. Das macht jede Gitarre zu einer neuen Herausforderung.»
«Habe noch so viel im Grind»
Diese immer neuen Herausforderungen sind es, die Claudio Pagelli in den letzten 40 Jahren nicht an seiner Berufung haben zweifeln lassen. Was ihm nämlich viel mehr am Herzen liegt, als dass ein berühmter Name eine seiner Gitarren spielt, ist die Leidenschaft für das Handwerk, das Instrument und schlussendlich die Musik. Ein Ende ist bei den Pagellis darum noch lange nicht in Sicht: «Ich gehe jeden Tag gerne zur Arbeit und denke noch lange nicht, das erreicht zu haben, was ich will. Ich habe noch so viel im Grind – ich hoffe nur, die Zeit rennt mir nicht davon.»