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Parkplatz auf Marktplatz gegen «Lädelisterbe» – Experte hält Forderung für «zu banal»

Parkplatz auf Marktplatz gegen «Lädelisterbe» – Experte hält Forderung für «zu banal»

Parkplatz Marktplatz: Ein Vorstoss will dieses Bild wieder aufleben lassen. (Archivbild)
© St.Galler Tagblatt/Urs Bucher
2019 wurden beim St.Galler Marktplatz die oberirdischen Parkplätze ersatzlos aufgehoben. Dies stösst dem Gewerbe schon länger sauer auf. Mit einem Bevölkerungsvorstoss werden nun neue Parkplätze gefordert – um das «Lädelisterben» aufzuhalten. Ein Experte sieht das Problem aber woanders.

Die Parkplätze in St.Gallen sind ein Dauerthema. Während die einen das Auto aus der Innenstadt haben wollen, pochen die anderen auf mehr Parkplätze. So auch das Projekt «Stadtstrasse», welches einen Bevölkerungsvorstoss eingereicht hat.

Konkret werden im Vorstoss oberirdische Parkplätze beim Marktplatz gefordert. Die Stadt solle drei Varianten prüfen: die Einführung bis zur Eröffnung des Parkhauses UG25, bis zum Baubeginn der Neugestaltung und für einen noch zu definierenden Zeitraum.

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Parkplatzzahl gesunken, aber...

Gibt es denn allgemein in der Innenstadt weniger Parkplätze? Betrachtet man die Bestandeszahlen der Parkplätze in der St.Galler Innenstadt, fällt auf, dass die Gesamtzahl der Parkplätze zwar seit 2012 abnimmt, jedoch immer noch höher ist als 2008. Damals gab es in der Innenstadt 3145 Parkplätze. 2022 waren es 3259.

Doch diese Plätze befinden sich hauptsächlich in den Parkhäusern am Rande der Altstadt. Im Vorstoss wird moniert, dass diese Parkiermöglichkeiten nur bedingt geeignet seien. Sie seien zu teuer und dezentral. Und hier kommt nun der Hauptpunkt: Das vergraule die Kundschaft. Das Hauptargument des Vorstosses ist nämlich, dass aufgrund der fehlenden Parkplätze die Läden in der Altstadt sterben würden.

Parkplätze = Umsatz?

Im Vorstoss wird also das Kredo vertreten: oberirdische Parkplätze gleich Umsatz. Doch stimmt das? «Nein, diese Erklärung ist zu banal», sagt Donato Acocella von der Fachhoschule OST. Acocella, der seit über 30 Jahren den Zusammenhang zwischen Stadtentwicklung und Detailhandel erforscht, sagt deutlich: «Es gibt keinen unmittelbaren und direkten kausalen Zusammenhang zwischen oberirdischen Parkplätzen und dem generierten Umsatz.»

Dass mit oberirdischen Parkfeldern also plötzlich automatisch Mehreinnahmen generiert werden, ist falsch. Acocella nennt dafür gleich mehrere Gründe. Als erstes die fortschreitende Digitalisierung. In den vergangenen Jahren, insbesondere seit der Pandemie, hat der Onlinehandel stark zugenommen. Auch die digitale Technologie im Detailhandel spiele eine Rolle. So gebe es schon Läden, bei denen beispielsweise der Kunde gleich digital vermessen und ihm Kleidung vorgeschlagen wird.

Solche Systeme seien aber eher bei grösseren Läden vorhanden, da die Kosten hoch sind. «Wenn der Fachhandel überleben will, muss er sich zwangsläufig auch mit digitalen Verkaufsstrategien im Laden selbst auseinandersetzen und diesen finanzieren. Wichtig ist aber auch, dass sich Handelsformate generell ändern, wie die Entwicklung bei Warenhäuern und Shoppingcentern zeigt», erklärt Acocella.

Shoppen ist kein Hobby mehr

Weiter habe sich auch das Konsumverhalten in den vergangenen Jahren verändert. Gemäss Acocella kaufe die Kundschaft spezifischer ein. Einfach flanieren und shoppen sei gerade für die junge Generation, also die kaufkräftigen von morgen, eher ein Auslaufmodell, da diese sich stärker im Online-Handel versorgen. Dafür zieht er eine eben erschiene Studie des Gottlieb-Duttweiler-Instituts herbei, die den Handel in Deutschland untersucht hat.

Dabei zeigte sich, dass Shopping als Freizeitbeschäftigung immer unbeliebter wird und eher als mühsam wahrgenommen werde. «Während man früher noch in der Stadt herumgeschlendert ist und sich mit seinen Kollegen ein Outfit zusammengestellt hat, passiert dies heute oftmals am PC, da dort alles an einem Ort verfügbar ist», sagt Acocella.

Ob auf den Bürgervorstoss dann auch tatsächlich eingegangen wird, ist noch unklar. Die Kommission hat den Vorstoss noch nicht beantwortet. Was aber klar sein dürfte: Die Parkplätze beim Marktplatz retten die Läden in der Altstadt nicht.

veröffentlicht: 8. Juli 2024 06:05
aktualisiert: 8. Juli 2024 06:05
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